Interview mit Uwe Quiede, Principal bei Tailorit /
Herr Quiede, welche Bedeutung sehen Sie derzeit für RFID und RFID-Inventuren im Bekleidungseinzelhandel?
Quiede: Das Bedürfnis saubere Bestände zu haben und genau zu wissen, welche Ware tatsächlich in den einzelnen Filialen vorrätig ist, steigt durch die mittlerweile etablierten No-Line-Commerce-Prozesse weiter an. Der Kunde hat die Erwartung, dass die Ware, die er online bestellt und in der Filiale am gleichen Tag abholen möchte, auch dort vorrätig ist. Ebenso erwartet er, dass er die Ware, die z. B. an einem intelligenten Spiegel angezeigt wird, direkt kaufen kann. RFID hilft den Händlern, diesem Anspruch gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass digitale Touchpoints nur dann für die Kunden attraktiv sind, wenn die Ware berührungslos und quasi „von selbst“ erkannt wird. Das funktioniert nur mit RFID.
Die RFID-basierte Inventur reduziert den Aufwand des Inventurprozesses drastisch und ermöglicht eine Inventur ohne eine Stichtagserfassung der Ware.
Sie haben mit dem EHI, Wirtschaftsprüfern und Händlern ein Prüfungsstandard für RFID-Inventuren entworfen. Welche Marktbedeutung ergibt sich daraus für Handel und Wirtschaftsprüfung und welche Vereinfachungen erwarten Sie davon für RFID-Anwender?
Quiede: Wir wissen, dass die Händler, die bereits RFID nutzen, große Potenziale bei der Inventurdurchführung sehen. Der Wegfall der aufwendigen Stichtagsinventur, die heute teilweise noch kurzfristige Filialschließungen erfordert, hilft den Händlern Ressourcen zu sparen und Umsatzeinbußen zu vermeiden. Für die Wirtschaftsprüfer bedeutet dies, den Händlern ein zusätzliches Inventurverfahren zu ermöglichen. Voraussetzung dabei sind saubere Prozesse und regelmäßige RFID-Bestandsaufnahmen.
Wir erhoffen uns durch die Möglichkeit des RFID-Inventurverfahrens, dass mehr Händler RFID als mehrwertbringende Technologie für sich erkennen. Es gibt mittlerweile deutlich mehr Nutzenpotenziale durch RFID, als noch vor fünf Jahren absehbar war. Dadurch können die Händler ihren ROI früher erreichen.
Über die Empfehlung für Wirtschaftsprüfer hinaus wurde auch eine Handlungsempfehlung für Händler erarbeitet? Können Sie die Inhalte kurz skizzieren?
Quiede: Die Handlungsempfehlung operationalisiert die Vorgaben des Prüfungshinweises. Sie hilft den Händlern den Standard umzusetzen und in allen Prozessen zu berücksichtigen. Das Prinzip einer RFID-unterstützten Inventur in Logistik und Filiale wird beschrieben und es wird erläutert, wie die Erfassungsqualität in den buchungsrelevanten Prozessen sichergestellt werden kann. Konkrete Beispiele erklären, wie die für eine Inventur geforderte Prozessqualität erreicht wird, welche Risiken entstehen können, wie man diese verhindert bzw. minimiert und mit einem dennoch eintretenden Risiko umgeht.
Welche Potenziale sehen Sie noch durch RFID im Handel?
Quiede: RFID ermöglicht Händlern mehr über die Bewegung und die Attraktivität der Ware in Erfahrung zu bringen. So können z.B. die Conversion Rate von Umkleidekabinen und digitaler Touchpoints ermittelt werden. Kombiniert mit anderen Technologien wie z. B. Kameras und Beacons, und Datenpools wie CRM und Data Warehouse lassen sich völlig neue Erkenntnisse gewinnen.
Der gleichzeitige Einsatz mehrerer Technologien ermöglicht es Laufwege der Kunden zu analysieren und z.B. mit der Bewegung der Ware zu kombinieren. Die Hot Spots der Filiale werden ersichtlich und Stärken und Schwächen im Sortiment werden transparent.
Dies sind nur einige von vielen Möglichkeiten, wie man im stationären Handel eine Transparenz ähnlich der im Online-Handel schaffen kann. Dies hilft den Händlern Flächenkonzepte und Kundenansprache zu optimieren, schafft eine verbesserte Customer Journey und dadurch letztendlich mehr Umsatz.
Mehr zur Bedeutung der RFID-Technologie für Inventuren im Handel und viele weitere spannende Themen aus den Bereichen Inventurdifferenzen und Sicherheit hören Sie auf dem diesjährigen EHI-Inventur- und Sicherheitskongress vom 19. bis 20. Juni 2018 in Köln.