Welche Themen prägen jetzt und in naher Zukunft den Ladenbau?
Claudia Horbert: Trotz einer wieder leicht anziehenden Expansionstätigkeit wird im Handel in D-A-CH in diesem Jahr weiterhin die Bestandsoptimierung klar im Fokus stehen. Allerdings folgt diese nicht mehr festen Renovierungszyklen. Teilumbauten und kleinere Refresh-Lösungen mit hochflexiblen Einrichtungssystemen und einer raschen Veränderung von Aktions- und Event-Flächen bestimmen heute und in naher Zukunft das Bild, um die eigenen Geschäfte optisch und technisch regelmäßig in Schuss zu halten.
Flexibilität bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor im stationären Handel. Die Läden müssen zukünftig mehr sein als reine Verkaufsflächen: sie werden immer mehr zu Begegnungsstätten, Aufenthaltsorten und Erlebniswelten. Schon bei der Planung eines neuen Geschäfts müssen Flächen flexibel geplant werden, dass sie mit möglichst geringem Aufwand je nach Bedarf bzw. Anlass umgestaltet bzw. bei jedem Umbau auch nochmal komplett umgeplant werden können.
Nicht zuletzt zahlt auch ein attraktives, hochwertiges Store-Design auf den Erlebnis-Charakter und die Aufenthaltsqualität der Geschäfte ein. Der Investitionsbedarf für ein neues Geschäft hat sich daher in allen Branchen nochmals erhöht, am deutlichsten mit einem Anstieg der Einrichtungskosten mit über 20 Prozent bei Baumärkten und im Fashion-Handel (einschl. Schuhe und Sport) innerhalb der letzten drei Jahre. Dennoch unterliegen Ladenbau und -einrichtung unverändert einem straffen Kostenmanagement. Konzept- und Einrichtungsmodule mit einem hohen Standardisierungsgrad, die dennoch je nach Nachfragesituation standortspezifisch eingesetzt werden können, werden daher weiter an Bedeutung gewinnen
Wie können sich Geschäfte in Zukunft von der breiten Masse abheben?
Claudia Horbert: Mit einem sehr detailreichen und abwechslungsreichen Visual Merchandising kann der stationäre Handel für individuelle Akzente sorgen. Dies zeigen aktuelle Neueröffnungen im Fashion-Bereich, die häufig durch eine Warendarstellung über Themenwelten und Looks geprägt sind, die optisch mit Sitzecken und Lounge-Bereichen verbunden sind, um mehr Wohnlichkeit und Emotionalität zu schaffen.
Auch der Lebensmittelhandel setzt immer stärker auf mehr Atmosphäre und eine emotionalere Ladengestaltung. Frische- und Bedienungsabteilungen werden im Design eines Wochenmarkts präsentiert. Auf der Verkaufsfläche finden sich immer mehr verschiedene gastronomische Angebote, die Verweildauer und Aufenthaltsqualität erhöhen.
Welche Rolle wird das Thema Nachhaltigkeit im Ladenbau spielen?
Claudia Horbert: Viele Ansätze in der Ladenplanung zahlen bereits auf einen nachhaltigen Ladenbau ein. Der Handel hat sich zum Ziel gesetzt, ökologisch bedenkliche Stoffe so weit wie möglich zu reduzieren und durch weniger bedenkliche zu ersetzen bzw. von vornherein weitgehend umweltschonende Materialien und Produkte zu verwenden. Ohnehin versucht man schon bei der Planung und Entwicklung neuer Konzepte und Warenträger möglichst materialsparend vorzugehen.
Auch die Haltbarkeit von Einrichtungsgegenständen und Material wie auch die Modularität von Einrichtungssystemen und ihre Kompatibilität mit Systemen von unterschiedlichen Herstellern spielen für immer mehr Händler schon bei der Planung eine Rolle, damit Ladeneinrichtungen möglichst lange eingesetzt werden. Zudem besteht im Handel eine hohe Bereitschaft Einrichtungsgegenstände wieder aufzubereiten und weiter einzusetzen.
Einen deutlich höheren Stellenwert genießen aber weiterhin Energieeffizienzprojekte, die im Gegensatz zu einem nachhaltigen Ladenbau noch immer zu mehr oder weniger deutlichen Kosteneinsparungen führen, auch wenn vor allem die Unternehmen aus dem Lebensmittelhandel hier schon gut aufgestellt sind.
Welche sind die wichtigsten Entwicklungen im Energiemanagement des Handels mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit?
Benjamin Chini: Der Einsatz energieeffizienter Technologien ist im filialisierten Einzelhandel schon weit fortgeschritten So kommen in fast 50 Prozent der Lebensmittelfilialen klimaschonende Kältemittel zum Einsatz, im Lebensmitteleinzelhandel sind mittlerweile branchenweit mehr als 50 Prozent der Kühlregale aus energieeffizienzgründen mit Türen versehen. In ebenfalls weit über der Hälfte der Handelsfilialen kommt LED-Beleuchtung zum Einsatz. In Neubauten und bei Sanierungen setzen die Energiemanagement-Experten grundsätzlich den Stand der Technik um, mit dem Energie- und Kosteneffizienz bestmöglich vereinbart werden können. Ökonomisch unproblematisch ist dies beispielsweise bei den eher geringinvestiven Maßnahmen wie dem Ausbau der LED-Technologie, der Regelung von als Energiefressern identifizierten Lüftungs-, Heizungs-, und Klimatisierungssystemen oder der Ausstattung von Kühlmöbeln mit Türen bzw. Abdeckungen. Auch der Ausbau intelligenter Steuerungssysteme für Beleuchtung, Heizung, Klimatisierung, Lüftung und Kältetechnik lässt sich teilweise mit vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz bzw. innerhalb kurzer Amortisationszeiträume realisieren. Hier gibt es jedoch je nach Planungsaufwand und dem Bedarf an zu installierender Hardware auch Fälle, in denen der Aufwand sich erst nach vielen Jahren amortisieren würde.
Jenseits der unproblematischen Maßnahmen mit kurzen Amortisationszeiten, gibt es auch Energieeffizienzinvestitionen, die einen Return on Investment von 5 Jahren oder mehr aufweisen. Gerade diese Investitionen können unter Nachhaltigkeitsaspekten sehr sinnvoll sein, da sie sich nicht nur energiesparend sondern auch substanzerhaltend auf die Gebäude auswirken können. Der Einzelhandel hat beinahe 90 Prozent seiner Immobilen angemietet. Die Eigentümer haben in dem Fall keinen Anreiz in die Gebäudeeffizienz zu investieren und die Mieter nehmen aufgrund zeitlich begrenzter Mietverträge nur begrenzte Amortisationsdauern in Kauf.
Eine elementare gesellschaftliche Aufgabe liegt aber darin, ein nachhaltiges Interesse an der Substanzerhaltung von Gebäuden und deren energieeffizientem/nachhaltigem Betrieb zu generieren.
Gewinnt nachhaltiges Ressourcenmanagement in Zukunft an Relevanz?
Benjamin Chini: Durch die Klimadebatte und die digitalen Möglichkeiten der Datenverarbeitung, kommt mehr Transparenz in die globalen Lieferketten bzw. Produktions- und Logistikprozesse. Dadurch werden vormals „blinde Flecken“ in globalen Ketten bzw. Netzwerken aufgedeckt. Die gestiegene Transparenz steigert jedoch auch die Komplexität der Unternehmensprozesse. Dennoch nehmen sich einige Unternehmen dieser komplexen Thematik sehr engagiert an und beginnen ihre Strukturen dementsprechend zu hinterfragen und zu verändern. In einigen Unternehmen wurden sogar schon interne CO2-Bepreisungen eingeführt. Unternehmen, die sich eher in der abwartenden Position befinden, müssen damit rechnen, dass perspektivisch weitere klimapolitische Instrumente zur Anwendung kommen, die die oben erwähnten Umstrukturierungen ebenfalls erforderlich machen werden. Eine Berücksichtigung von Umwelt- bzw. Klimafolgeschäden in Waren,- Dienstleistungs,- und Transportpreisen, kann zu großen Verwerfungen im Hinblick auf den heutigen Wirtschaftlichkeitsbegriff führen. Ein nachhaltiges Ressourcenmanagement wird damit zu einem hochrelevanten strategischen Erfolgsfaktor.
Wie hoch sind der Informations- und der Umsetzungsstand zum Thema nachhaltige Mobilitätskonzepte im Handel? Welche Herausforderungen kommen auf die Unternehmen zu?
Benjamin Chini: Der Themenkomplex Mobilität im Einzelhandel umfasst nicht nur den Ausbau von Kundenparkplätzen mit Elektroladeinfrastruktur. So bedarf es beispielsweise auch einer Strategie für die firmeneigene Dienstwagenflotte bzw. für die Einbeziehung des Mobilitätsverhaltens der eigenen Mitarbeiter. Auch in der Logistik gewinnen nachhaltigere Mobilitätskonzepte zunehmend an Relevanz. Darüber hinaus ergeben sich Fragen im Hinblick auf die langfristige Entwicklung des Verkehrssektors sowie des Kundenverhaltens durch neue Mobilitätskonzepte. 55 Prozent der Handelsunternehmen fühlen sich derzeit ausreichend informiert, während sich 45 Prozent der Unternehmen zusätzliche Informationen wünschen. Der Informationsbedarf ist je nach Unternehmen und Betriebstyp individuell verschieden. Er hängt auch damit zusammen, inwieweit die jeweiligen Handelsunternehmen das Thema nachhaltige Mobilität (über die gesetzlichen Anforderungen hinaus) in ihrem eigenen Verantwortungsbereich sehen.
Da moderne nachhaltige Mobilitätskonzepte hochkomplexe, interdisziplinäre Projekte sind, die die Einbeziehung einer großen Bandbreite von Akteuren erfordern (u.A. Automobilindustrie, Verkehrsbetriebe, Car- und Bikesharing-Anbieter, Logistikunternehmen, Immobilienwirtschaft, Gewerbe, Handel, Energiewirtschaft, IT-Unternehmen etc.), können diese nur durch langfristige organisationsübergreifende Kooperationen entwickelt und ausgestaltet werden. In einer gezielten Unterstützung und Förderung interdisziplinärer und technologieoffener Kooperationsnetzwerke zur Entwicklung nachhaltiger Mobilitätskonzepte liegen daher große Entwicklungschancen. Hier könnte die Politik beispielsweise durch Unterstützung/Förderung von Netzwerkgründungen, sowie durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen einen Beitrag leisten. Elektromobilität wird sich (insbesondere im urbanen Raum) zu einem elementaren Baustein einer nachhaltigen Mobilitätswende entwickeln und stellt in dem Zusammenhang auch ein interessantes Betätigungsfeld für den Handel dar. Das Thema Elektromobilität sollte jedoch immer im Gesamtkontext der Mobilitätsforschung betrachtet werden, damit sich in diesem Prozess anwendungsfallbezogen, die jeweils nachhaltigste Mobilitätslösung entwickeln lässt.