Vertrauen und Verantwortung //
Die Kommunikation in unserer Gesellschaft hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und damit auch die des Handels. Viele Handelsunternehmen kommunizieren und publizieren so viel, dass sie mit ihren Newsrooms und Social-Media-Kanälen selbst zu einem Medium mutiert sind. Die Digitalisierung und der damit einhergehende Siegeszug der sozialen Medien waren Wegbereiter dafür. Nahezu alle Handelsunternehmen betreiben eine Facebook-Seite. Um ein vertrauenswürdiges Image aufzubauen, muss aber auch der Inhalt stimmen – und die Haltung. Denn Kunden und Kundinnen möchten heute häufig wissen, wen sie mit ihrem Einkauf unterstützen. Vielen sind ökologische Belange oder Tierschutz wichtig. Auch die politische Haltung von Unternehmen spielt eine Rolle. In den PR-Abteilungen wird man sich zukünftig noch viel mehr mit dem Thema Verantwortung auseinandersetzen müssen.
Arbeitsplatz und Attraktivität
Ein gutes vertrauenswürdiges Image wird auch aus der Perspektive als Arbeitgebende immer wichtiger. Denn 50.000 offene Stellen sind derzeit auf den Karrierewebseiten der 50 größten Handelsunternehmen ausgeschrieben. Die Suche nach geeignetem Personal – vor allem für die Fläche, aber auch in den Zentralen – stellt den Handel aktuell vor große Herausforderungen. Das Image des Einzelhandels ist für viele Personalverantwortliche ein Grund für die schwierige Besetzung vieler Positionen. Die Händler und Händlerinnen wissen, dass sie sich z.B. auf die veränderten gesellschaftlichen Lebensgewohnheiten vor allem der jüngeren Generation einstellen müssen. Dazu gehört auch, den Bewerbungsprozess für Kandidaten und Kandidatinnen möglichst unkompliziert und schnell zu gestalten. Digitale Lösungen im Recruiting können Prozesse beschleunigen und die Attraktivität des Arbeitgebers erhöhen. Genutzt werden bisher allerdings eher klassische Tools wie suchmaschinenoptimierte Stellenanzeigen oder Karrierewebseiten. Die Unternehmen sollten sich jedoch vermehrt an modernere Technologien wie One-Click-Bewerbungen, Chatbots, Matching-Software, Videobewerbungen oder digitale MitarbeiterInnen-Empfehlungsprogramme heranwagen.
In der näheren Zukunft werden sich die Recruitingprozesse verändern, da die Digitalisierung zunehmen und sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen wird. Auch wenn immer mehr Technologien eingesetzt werden und Künstliche Intelligenz eine wachsende Rolle spielen wird, gehen die Personalverantwortlichen der Branche nicht davon aus, dass menschliches Recruiting obsolet werden wird. Dieses könne sich zukünftig viel mehr auf die zwischenmenschliche Komponente konzentrieren, während Algorithmen die Fleißarbeit machen. Die technologische Unterstützung werde auch helfen, das Recruiting insgesamt zu beschleunigen. Authentisches Employer Branding wird deshalb zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor.
Um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, wird der Handel nicht umhinkommen, sich auf die veränderten Ansprüche an das Arbeitsleben einzustellen. Aber auch alternative Arbeitsmodelle, flache Hierarchien und ein neues Verständnis von Führung sind Facetten eines Kulturwandels, der unter dem Begriff New Work zusammengefasst werden kann, und der den Handel künftig vor große Herausforderungen stellen wird.
Gesellschaft und Glaubwürdigkeit
Für fast alle Händler ist heute klar: Grundsätzlich hat ein Unternehmen auch gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb dehnen einige ihre Kommunikation durchaus auf gesellschaftsrelevante Themen aus, die nicht in direktem Zusammenhang mit den Unternehmensthemen stehen. Einige sehen sich damit aber in einem Dilemma. Sie möchten einerseits klare Positionen zeigen, befürchten aber einen Glaubwürdigkeitsverlust, wenn Themen nichts mit der Geschäftstätigkeit zu tun haben. Und Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut, das positiv auf das Image ausstrahlt. Darüber hinaus macht sich ein Unternehmen natürlich auch angreifbar, wenn es Position bezieht, einen kleinen Mangel finden Kritiker fast immer. Und das kann mal schnell einen Shitstorm auslösen. Aber ehrlich gesagt, die meisten Shitstorms verschwinden ebenso schnell wie sie gekommen sind. Den Abverkaufszahlen schaden sie nur sehr selten.
Öffentlichkeitsarbeit im Handel hat eine steile Karriere zurückgelegt. Die Zeiten, in denen Unternehmen mit einer strikten Verweigerung ihre Haltung gezeigt haben, sind vorbei, sogar ins Gegenteil umgeschlagen. Natürlich muss „nicht jeder Joghurt eine Haltung haben, aber es hat sich gezeigt, dass die Reaktionen auf öffentliche Stellungnahmen von Unternehmen zu gesellschaftlichen Themen überwiegend positiv sind. Das sollte motivieren. „Akteure im öffentlichen Raum tragen systematisch Mitverantwortung für den gesellschaftlichen Diskurs und Umgang“, so Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.
Ute Holtmann, Leiterin PR
Vanessa Tuncer, Projektleiterin Forschungsbereich Personal