Interview mit Stephan Würzburg, Managing Partner UM /
Warum benötigen Marken heute mehr lokale Sichtbarkeit?
Stephan Würzburg: Letztendlich entscheidet der abendliche Blick in die Kasse, wie erfolgreich eine Marke mit ihren Konsumenten kommuniziert. Verbraucher beweisen im Umkreis der Filialen sowie direkt vor dem Regal ihre Markenloyalität, die laut aktuellen Studien allerdings weiter sinkt. Trotz oder gerade wegen der enorm gestiegenen Anzahl an Kommunikationskanälen ist es somit wichtig, dass Marken in der realen Welt sichtbar und attraktiv sind. Unser Ziel und Anspruch ist es, die individuelle Botschaft mit der richtigen Zielgruppe am richtigen Ort zum bestmöglichen Zeitpunkt und auf dem relevanten Kommunikationskanal zu verbinden. Dabei achten wir darauf, die Dosierung der Informationen in einen kommunikativ logischen und für unsere Kunden gewinnbringenden Einklang zu bringen. Hier kommen unter anderem unsere agentureigenen Geo-Marketing-Tools ins Spiel. Wir nutzen unser „Scoring-Modell“ zur Identifikation von Wachstumspotentialen, den „OIS Wizard“ zur Bestimmung der Medienrelevanz und Aussteuerung der Medien oder den „Geo Kompass“ für ein Geo-/Regio-Audit.
Welchen Stellenwert hat die Markenloyalität denn noch?
Stephan Würzburg: Einen sehr hohen! Auch und gerade wegen der Vielzahl an digitalen Verkaufskanälen müssen Verbraucher wissen, warum und wann sich der Weg in ein Shopping-Center lohnt. Die Steigerung der Markenloyalität, die sich auch über erlebbare Benefits definiert, ist einer der Abverkaufshebel und spielt deshalb eine große Rolle in der Kampagnenstrategie und -planung.
Was erwarten Konsumenten von Händlern oder Marken?
Stephan Würzburg: Händler und Marken müssen „Konsumentenversteher“ und „Problemlöser“ sein. Bedenken wir nur, dass Konsumenten niemals mündiger als heute waren und Marken gnadenlos bestrafen, die Angebot und Produktversprechen nicht an ihren Bedürfnissen ausrichten. Erfolgreiche Kommunikation muss heute zuerst Bedürfnisse in konkreten Alltagsmomenten von Zielgruppen identifizieren, bevor sie anschließend über Auswahl von Kanal und Botschaft relevante Anknüpfungspunkte an deren Lebenswelt herstellen kann.
Dafür verfolgen wir den „Moments Planning Ansatz“. Dazu führen wir verschiedene Quellen zusammen, um die nötige Datenbasis zu generieren und auszuwerten. So entsteht eine datenbasierte Grundlage für die Mediaplanung, die auf Lebensmomente und Erwartungsstrukturen zielt. Retail muss dabei unbedingt als eigenständiges und wertvolles Medium eingesetzt werden, das per se hautnah am Puls der Verbraucher ist. Alle Facetten der Markenwelt können hier perfekt inszeniert und Angebots- und Produktversprechen erlebbar gemacht werden, um sich deutlich vom digitalen Wettbewerb abzuheben.
Was macht eine Marketingstrategie für ein Shopping-Center erfolgreich?
Antwort: Wer in ein Shopping-Center geht, sucht ggf. nach Inspiration und der Bestätigung, dass die Lieblingsmarken halten, was sie versprechen. Vor allem für jüngere Zielgruppen, die Einkaufen als soziales Event betrachten, haben Shopping-Center (wieder) eine hohe Relevanz. Grundsätzlich kaufen die Deutschen noch immer am liebsten im Geschäft. Bevorzugter Kaufort bei gleichem Preis ist mit 52 Prozent das Ladengeschäft und lediglich zu 24 Prozent der Onlinestore (Quelle: UM Retail Buying Study). Handelt es sich um Kategorien, die einen kurzfristigen Kaufentscheidungsprozess mit sich bringen,wie beispielsweise Mode, Kosmetik oder Lebensmittel, bevorzugen es die Deutschen, in dem Kanal ihren Kauf abzuschließen, in dem sie die Informations- und Inspirationsphase begonnen haben. Die Marketingstrategie leitet sich demnach vom Konsumenten und seinen Einkaufsmotivationen ab.
Darüber hinaus muss eine erfolgreiche Marketingstrategie die individuellen Erwartungen der Konsumenten immer wieder von Neuem aufnehmen oder bei ihnen wecken. Und das Center muss dies dann vor Ort beweisen. Das gelingt zum Beispiel durch produkt- und branchenübergreifende Stilwelten. In der Umsetzung sowie im Zusammenspiel mit den Filialisten bedeutet das auch, dass die Marketing-Units der Shopping-Center wie Agenturen ihrer Filialisten denken und agieren müssen, um stets attraktive Angebote für sie schaffen zu können – ganz im Sinne eines „das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile“.
Der Spaß und die Möglichkeit, kurzfristig Besorgungen zu erledigen, stehen bei den meisten Deutschen beim stationären Einkaufen im Vordergrund. Für Einkaufszentren bedeutet dies, dass ihre erlebnisgetriebenen Besucher bei einem gemeinsamen Besuch mit ihrer Familie das komplette Programm von Einkaufen über Essen & Trinken bis Entertainment genießen wollen.
Mehr über die aktuellen Entwicklungen in der deutschen Shopping-Center-Branche und erfolgreiche Marketingstrategien erfahren Sie beim Deutschen Shopping-Center Forum 2019 von EHI und GCSC am 14./15. Mai in Düsseldorf.