Wir haben unsere Expertinnen für Handelsimmobilien und Expansion, Lena Knopf und Kristina Pors, gefragt, wie sich die Mietverhältnisse und das Expansionsverhalten im Handel dieses Jahr entwickeln werden.
Wie hat sich das Verhältnis von VermieterInnen und MieterInnen im Handel dieses Jahr entwickelt?
Knopf/Pors: Große Teile des Einzelhandels sind 2020 schwer getroffen worden durch Umsatzausfälle, aber auch durch die weitere und verstärkte Verschiebung der Umsätze in den Onlinehandel. Beide Faktoren führen zu einem enormen Kostendruck bei vielen Mietern von Gewerbeimmobilien, der sich insbesondere bei alten Mietverträgen mit hohen Mietbelastungen bemerkbar macht. Andere Händler, die als systemrelevant eingestuft wurden, hatten hingegen keine Umsatzeinbußen oder profitierten, wie insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel, sogar von Sondereffekten.
Bereits im ersten Halbjahr 2020 haben namhafte Vertreter des Handels und der Handelsimmobilien-Industrie unter der Moderation des German Council of Shopping Places (GCSP) einen Code of Conduct als gemeinsamen Leitfaden für die Zusammenarbeit während der Corona-Krise formuliert.
Im Zentrum des Code of Conducts stehen die Vermeidung juristischer Auseinandersetzungen zwischen betroffenen Mietern und Vermietern sowie konstruktives Handeln, um den deutschen Einzelhandel zu retten.
Das Frühjahr war geprägt von Händlern, die unverzüglich den Kontakt zum Vermieter suchten, um die Mietkostensituation zu besprechen und zu verhandeln. Grundsätzlich wurde bei den Verhandlungen die persönliche Ansprache sehr geschätzt, auch wenn bei vielen filialisierten Händlern im Nachgang ein Standardschreiben an die Vermieter rausging. Es gab Händler, die von einer sehr hohen Kompromissbereitschaft und Lösungsfindung auf Seiten der Vermieter sprachen. Jedoch machte sich hier ein großer Unterschied zwischen institutionellen und privaten Vermietern bemerkbar. Zu einem Stimmungswechsel in der Kooperationsbereitschaft kam es vor allem, nachdem ein großer Sportartikelhersteller bekannt gemacht hatte, die Mietzahlungen vorläufig einzustellen.
Deutlich wurde vor allem, dass es keine pauschalen Lösungen gibt und die Notwendigkeit da war, kooperativ und fair miteinander zu sprechen. Trotzdem gab es einige große Insolvenzen und zahlreiche Filialschließungen, in erster Linie bei Warenhäusern und Bekleidungsfilialisten.
Auch das Weihnachtsgeschäft ging wohl durch den zweiten Lockdown für den stationären Einzelhandel als umsatzschwächstes in die Geschichte ein. Sowohl der HDE als auch der ZIA warnen vor einer zweiten Pleitewelle.
Wird es im nächsten Jahr Veränderungen bzgl. der Mieten im Handel geben?
Knopf/Pors: Die große Frage, die sich während des Jahres 2020 stellte, war, ob der Gewerbemieter während Corona-bedingter Einschränkungen zur vollen Zahlung der Miete verpflichtet sei, auch wenn er in der Nutzung des Mietobjektes stark beeinträchtigt ist. Während des laufenden Jahres waren Gerichte mehrheitlich gegen diese Mietminderungen. Seit Mitte Dezember steht aber nun seitens des Gesetzgebers durch eine Änderung im EGBGB fest, dass die Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen kann. Die Frage, ob eine Anpassung der Miete angemessen ist, bleibt aber weiterhin offen und muss im Einzelfall entschieden werden.
Dass es aber auch so zu Änderungen in den Mieten kommen kann, davon ist in einigen Bereichen auszugehen, da sich ein solcher Trend bereits abzeichnet. Die Spitzenmiete auf der Highstreet in den 7 A-Städten ist im ersten Halbjahr 2020 um 6,2 Prozent gegenüber 2019 gesunken. Viele Händler nehmen die neuen Rahmenbedingungen zum Anlass, ihre Mietverträge neu zu verhandeln. Dies betrifft insbesondere die teuren Standorte in den Highstreets und Shopping-Centern. Um Leerstände insbesondere bei innerstädtischen Großflächen zu vermeiden, sind die Vermieter in vielen Fällen zu einem gewissen Grad kompromissbereit, was sich insbesondere an der nachträglichen Rettung zahlreicher Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof anschaulich zeigte. An starken Standorten, an denen interessante Nachvermietungen möglich sind, besteht für größere Mietreduzierungen aus Sicht der Vermieter allerdings kein Anlass, was viele attraktive Hochfrequenzlagen oder auch Nahversorgungsstandorte wie Fachmarkt-Center betrifft.
Wie war das Expansionsverhalten in diesem Jahr im Handel? Wird das Thema Expansion bei den Handelsunternehmen nächstes Jahr überhaupt eine Rolle spielen?
Knopf/Pors: Immer mehr Filialisten wollen ihre Filialnetze ausdünnen. Innerhalb von 2 Jahren hat sich dieser Anteil von 15 Prozent 2018 auf 31 Prozent 2020 verdoppelt. Im Gegenzug wird der Anteil der expansiven Filialisten zwar geringer, aber noch immer plant ein nicht unerheblicher Anteil von 42 Prozent der Händler, ihr Filialnetz zu vergrößern. Expansive Branchen sind Drogerien, Hobby und Freizeit, Möbel, Bau- und Gartenmärkte, Lebensmittel sowie die Gastronomie. Bei neuen Standorten benötigen viele Händler deutlich flexiblere Mietverträge als noch vor einigen Jahren. Das bedeutet zum einen, dass Laufzeiten tendenziell kürzer werden und mit Optionen verlängert werden können und zum anderen, dass Sonderkündigungsrechte zunehmende Verbreitung finden. Eine gewisse Chance sehen einige Händler darin, dass durch Corona-bedingte Filialnetzbereinigungen auch interessante Flächen zu attraktiven Konditionen verfügbar werden könnten. Dabei werden die Händler aber sehr genau hinschauen und die Dynamik und Zukunftsfähigkeit der einzelnen Standorte besonders kritisch analysieren.
Mehr zu den Mietverhältnissen und dem Expansionsverhalten im Handel sowie weiteren spannenden Themen aus dem Bereich Handelsimmobilien hören Sie außerdem bei der Deutsche Shopping Places Conference am 20./21. Mai 2021 in Düsseldorf.