Auch wenn die immer gleiche Flut an Prospektwerbung etwas anders suggeriert: Der Handel befindet sich im Transformationsprozess. Die Werbung wird immer personalisierter und individueller. CRM-Expertin Dr. Simone Kerner verrät im Interview, was Kunden sich wünschen und was Unternehmer benötigen.
Personalisierung und Individualisierung sind die Top-Trends im Marketing, das haben uns die CMO’s aus führenden Handelsunternehmen bestätigt. Was genau hat es damit auf sich?
Im CRM sind Personalisierung und Individualisierung unterschiedliche Methoden: Personalisierung fokussiert auf eine maßgeschneiderte Kundenansprache: beispielsweise im Email-Betreff oder in der Ansprache im Printkatalog, bei Produktempfehlungen aufgeführt sind, die sein bisheriges Kaufverhalten berücksichtigen. Dies erhöht die Relevanz für den Kunden und damit die Aufmerksamkeit. Die Personalisierung ist heute dank technologischer Entwicklungen state-of-the-art, nicht nur in der digitalen Kommunikation, sondern dank Digitaldruck auch im Printbereich.
Bei der Individualisierung erfolgt die Ansprache zum genau richtigen Zeitpunkt, zum richtigen Anlass, am richtigen Ort und beinhaltet ein für den Kunden zugeschnittenes Produktangebot mit einem attraktiven Preis und über den präferierten Kanal und touch point (online, mobil oder stationär). Der Kunde erhält das Gefühl, dass der Händler seinen individuellen Bedarf vollumfänglich verstanden hat. Nötig hierfür sind detaillierteres und breiteres Kundenwissen und CRM-Systeme, die real-time kanalübergreifend über die gesamte customer journey diese Angebote aussteuern.
Worin liegt der Vorteil einer App im Vergleich zur klassischen Kundenkarte? Und wie kann ein Händler diesen wirklich nutzen?
Ein Kundenkartenprogramm ist die Basis dafür, notwendiges Kundenwissen – das entsprechende Opt in vorausgesetzt – zu erlangen. Der Vorteil einer Mobile Card in einer App aus Kundensicht ist natürlich der Convenience-Aspekt: Es spart Platz im Portemonnaie und das Smartphone hat fast jeder Kunde griffbereit. Die Kosten für die Produktion der Kundenkarte und den Druck von Coupons entfallen, dazu ist Unternehmenssicht der Hauptvorteil, dass die Mobile Card wegen der einfachen Verfügbarkeit eher genutzt wird. Außerdem ist die Plastikkartenflut ein häufiger Ablehnungsgrund für eine klassische Kundenkarte.
Damit Kunden die App häufig nutzen, muss sie deutlichen Mehrwert bieten. Neben dem mobilen Onlineshop sollten Mobile Couponing und Payment enthalten sein sowie aktuelle Angebote oder Informationen zu neuen Produkten und Marken. In-App-Messages oder Push Notifications sorgen für eine zeilgerichtete Kommunikation mit dem Kunden: Auf das Kaufverhalten ausgesteuerte Angebote und Coupons werden location-based anhand mobiler Daten, beispielsweise in einem bestimmten Umkreis oder in einer Filiale direkt mobil angezeigt, um so einen spontanen Zusatz-Kauf effektiv anzutriggern – ganz ohne Plastikkarte und Papier.
Welche Entwicklungen gibt es bezüglich mobiler Kundenkarten und der damit verbundenen Individualisierung?
Dass im Handel der Trend eindeutig in Richtung Mobile Card geht, zeigt der aktuelle Card Launch von Lidl, ebenso auch die Kundenkarten von Edeka und H&M, die komplett auf eine Plastikkarte verzichten. Wesentlich häufiger wird noch die Kombination von Plastik und Mobile Card angeboten, wie zum Beispiel bei Douglas und Esprit, ebenso auch von Payback.
Jedoch ist in Deutschland die Durchdringung der Mobile Cards noch vergleichsweise gering, weil die Kassensysteme mit entsprechender Scanner-Technologie ausgestattet und WLAN in den Filialen verfügbar sein müssen.Das ist leider nicht immer der Fall und die Kartennutzung in der App dann doch „unbequem“ wird.
In Analogie zum Mobile Payment haben heute immer noch viele Kunden Bedenken wegen der Datensicherheit und des Datenschutzes. Vorhandene Mobile Card Apps haben was die beschriebenen Funktionen anbelangt nicht selten Nachholbedarf. Besonders beim intelligenten Aussteuern von relevanten, individuellen Angeboten und Coupons gibt es noch sehr viel Potenzial. Obwohl bei vielen Händlern die Technologien vorhanden sind, um automatisiert real-time Content auszuspielen, findet dies sselten über die gesamte Customer Journey Anwendung. Dabei müssten meines Erachtens nach Produktangebote und Pricing viel stärker am Kunden und weniger an Sales- oder Einkaufsvorgaben ausgerrichtet werden. Die Vorteile einer konsequenten Individualisierung liegen dabei doch ganz klar auf der Hand: Weniger Streuverluste bei Marketing Spendings und nachweisbar höhere Conversion Rates – saubere Meßbarkeit natürlich vorausgesetzt. Insofern gibt es hier noch viel Luft nach oben!
Mehr zu Marketing-Trends im Handel gibt es auf dem EHI Marketing Forum Handel 2019, 24.-25. September 2019 und unter https://www.ehi-marketingforum.de/