Sturm oder leichte Brise – die Transformation von der analogen zur digitalen Welt
Die Melodie im Kopf bewegt und erinnert an die historischen Momente des Mauerfalls vor 25 Jahren. Ähnlich „historisch“ ist der Wandel, der sich zurzeit im Handel vollzieht. Die Digitalisierung wirbelt das gesamte System Handel durcheinander. Blühende Landschaften werden versprochen, aber das geht nicht von heute auf morgen.
Strategie: Alles beginnt mit einem Masterplan
Am Anfang eines Veränderungsprozesses steht ein Plan. Daher überrascht es, dass derzeit nur knapp 40 Prozent* der Handelsunternehmen über eine umfassende digitale Strategie für Ihr Unternehmen verfügen. Es besteht dringender Handlungsbedarf, wenn man die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens erhalten will. Eine Strategie, die erfolgreich durch die unruhigen Zeiten des digitalen Wandels navigieren will, muss vor allem eins im Blick haben: den Kunden. Das hat der Handel erkannt und schenkt dem veränderten Kommunikations- und Mediennutzungsverhaltens der Kunden höchste Aufmerksamkeit. Ein besonderes Augenmerk kommt den sogenannten „massenhaften Nischenmedien“, meistens soziale Medien, und deren Viralität zu. Denn sie führen dazu, dass Kunden heute schneller und besser informiert sind denn je – und sie involvieren sich. All das muss der Handel im Blick haben, um seine Kunden zu erreichen und deren Feedback zu nutzen.
Medienvielfalt erfordert neue Kompetenzen
Die wachsende Zahl digitaler Kanäle auf Kundenseite erfordert eine rasche Anpassung des Handelsmarketings. Immer mehr Medien werden von immer weniger Menschen genutzt. Printbasierte Massenmedien müssen sich die knappe Aufmerksamkeit ihrer Leser mit anderen, insbesondere digitalen, Medien teilen. Gleichzeitig hat der Medienkonsum sich in den letzten Jahren stark erhöht. Die wichtigsten Treiber heißen TV und Internet. Mit der Nutzung digitaler Medien hinterlassen Kunden ihre Spuren, wachsen die Datenmengen. Daraus Bedürfnisse, Gewohnheiten und Ansprüche der Kunden zu lesen, schafft der Handel aber nur, wenn er die richtigen Analyse-Tools hat. Noch entscheidender als die reine Datenmenge und -vielfalt ist oftmals das Tempo der Nutzung. Echtzeitkommunikation fordert extrem kurze Reaktions- bzw. Aktionszeiten. Für ein daten- und faktenbasiertes Kundenverständnis ist dezidiertes Technologiewissen unumgänglich. Dazu benötigen die Marketingchefs neue bzw. erweiterte Kompetenzen und Skills.
Genau dieser Aspekt – der Erwerb neuer Kompetenzen und Skills – wird von der Unternehmensspitze des Handels als eine der größten Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit von Marketing Organisationen erkannt.
Organisation: Marketing mit mehr Relevanz
Für die Umsetzung der Strategie braucht es eine Task Force unterhalb der Geschäftsführung. Fast die Hälfte der Geschäftsführer* des Handels ist sich einig, das Marketing damit zu betrauen, denn sie sind es gewohnt, Veränderungen von Gesellschaft, Wettbewerb und Kunde sensibel wahrzunehmen und daraus schnell Lösungen zu entwickeln, die Mehrwerte für den Kunden schaffen. Außerdem müssen Organisationsstrukturen angepasst werden. Heute ist eine Vielzahl von Abteilungen mit originären Marketingaufgaben beschäftigt: der Vertrieb mit Shopper-Marketing, die IT mit Search, die Unternehmenskommunikation mit Social Media. Diese dezentrale Organisation des Marketings können sich nur 20 Prozent der Marketing-Entscheider* im Handel auch künftig gut vorstellen. Knapp 60 Prozent* wünschen sich vielmehr die Funktion des Chief Marketing Officers (CMO), der alle Marketing-Aufgaben und -Zuständigkeiten in einer Hand bündelt. Ebenso viele Marketer* können sich allerdings auch eine Organisation vorstellen, in der das Marketing eine Haltung ist: Alle Mitarbeiter machen Marketing. Das setzt eine konsequent kundenorientierte Denkhaltung von der Unternehmensspitze bis tief runter in die Verästelung der Organisation voraus und eine Marketingabteilung, die den konzeptionellen Rahmen setzt.
Kooperation: Marketing und IT in Koexistenz
Egal, welche Organisationsstruktur sich in einem Unternehmen durchsetzt: Marketing ist ohne den Einsatz von IT kaum noch denkbar. Beide Bereiche müssen kooperieren, die Zusammenarbeit ist jedoch nicht ohne Interessenskonflikte. Allein das Budget sorgt für Reibungspunkte. Den Konflikt hat man in vielen Handelsunternehmen dadurch entschärft, dass Marketing und IT eine anteilige Budgethoheit für derartige Projekt bekommen.
Fazit
Wie der Mauerfall 1989 ist die Digitalisierung für den Handel eine historische Chance. Es gibt kein richtig oder falsch für den Weg der Transformation. Der Handel muss einfach nur den Mut haben, den Wind der Veränderung durchs Unternehmen wehen zu lassen, der angestaubte Strategien, Strukturen und Unternehmenskulturen aufwirbelt und neue, blühende Landschaften entstehen lässt.
*Aus der aktuellen Studie EHI-Marketingmonitor Handel 2014 – 2017, deren kompletten Ergebnisse Marlene Lohmann auf dem EHI Marketing Forum 2014 in Köln vorgestellt werden.