Erste Gehversuche im Metaverse

Interview mit Lars Hofacker, Leiter Forschungsbereich E-Commerce

Lars Hofacker

Lars Hofacker

Leiter Forschungsbereich E-Commerce

Tel: +49 221 57993-22

hofacker@ehi.org

Welche Rolle spielt Metaverse bereits im Handel und wie sind die Aussichten für die Zukunft?

Hofacker: Das Thema Metaverse ist aktuell in aller Munde. Erste Handelsunternehmen machen vorsichtige Gehversuche. Im Sommer haben 433 Entscheider:innen des deutschsprachigen Handels aus 284 Handelsunternehmen unterschiedlichster Branchen an unserer Befragung zur Studie Metaverse im Handel teilgenommen. 96 Prozent halten die heutige Relevanz von Metaverse in ihren Handelsunternehmen für gering. Mittel- und langfristig schätzen die Befragten die Bedeutung jedoch höher ein. Sechs von zehn Befragten glauben, dass sich Metaverse durchsetzen wird. Die Bedeutung innerhalb der Handelsunternehmen wird vermutlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren zunehmen. Dabei überrascht es, dass schon in fünf Jahren gut jedes vierte Handelsunternehmen in Metaverse-Anwendungen investieren könnte.

Erste Handelsunternehmen sind bereits im Metaverse vertreten. Welche Schlüsse kann man aus der Aktivität bereits ziehen?

Hofacker: Innovative Handelsunternehmen konnten bereits Erfahrungen mit Technologien wie AR oder 3D sammeln und haben diese in ihren Onlineshops oder Apps integriert. Wer beim Einstieg ins Metaverse-Geschäft erfolgreich sein will, sollte die technologischen Voraussetzungen schaffen, das Personal mit Fachkenntnissen ausstatten und Akzeptanz bei den Konsument:innen erzeugen. Dazu braucht es Mut, Willen und Innovationsgeist sowie die Bereitschaft, Ressourcen und Budget bereitzustellen. Nachdem der beste Use Case gefunden wurde, gilt es den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um Metaverse in die Customer Journey sinnvoll zu integrieren.

Vor welchen (technischen) Herausforderungen stehen die Metaverse-Anbieter?

Hofacker: Die Wirtschaftlichkeit von Metaverse-Anwendungen sowie der unternehmensinterne Widerstand zählen zu den größten Herausforderungen. Bei der technischen Umsetzung von Metaverse-Anwendungen spielen sicherlich weitere Akteure eine entscheidende Rolle: zum einen die Anbieter der Metaverse-Plattformen (sie schaffen die Rahmenbedingungen), zum anderen Metaverse-Dienstleister (sie unterstützen bei der Organisation, Gestaltung etc.). Der Handel hat mit dieser Studie klar signalisiert, dass er offen gegenüber einem Einstieg ins Metaverse ist. Die Anbieter müssen nun konkret werden, für die Handelsunternehmen realistische und Mehrwert-stiftende Beispiele erstellen und sie damit überzeugen. Dabei sollten sie dem Handel belastbare und realistische Prognosen zur Wirtschaftlichkeit mitbringen und die in der Studie genannten Unsicherheiten (zum Beispiel über die Eignung von Sortimenten, über Kannibalisierungseffekte oder über Sicherheitsfragen) auflösen. Außerdem müssen sie die technischen Grundvoraussetzungen (zu erschwinglichen Preisen) schaffen, das Handelspersonal mit dem notwendigen Fachwissen ausstatten und die Konsument:innen für das Metaverse begeistern.

Während der Pandemie-Zeit hat der Onlinehandel geboomt. Wie ist die aktuelle Entwicklung, und welche Erklärungen gibt es dafür?

Hofacker: Im Jahr 2020 gab es bei unserem Ranking der 1.000 umsatzstärksten Onlineshops noch ein besonders starkes Wachstum mit beachtlichen 33,1 Prozent. Gerade haben wir unsere neuen Top-1.000-Onlineshops für das Geschäftsjahr 2021 veröffentlicht, wo die Wachstumszahl mit gut 16 Prozent wieder deutlich geringer ausfällt. Insgesamt beträgt der Umsatz der Top-1.000 Onlineshops für das Jahr 2021 79,9 Mrd. Euro (2020: 68,8 Mrd. Euro).

Die Umsätze in den ersten drei Quartalen 2022 waren rückläufig (- 4,4 Prozent) zum Vorjahreszeitraum nach Untersuchung des bevh. Die Prognosen großer E-Commerce-Player für dieses Jahr wurden zuletzt auch nach unten korrigiert. Die aktuelle Konsumstimmung mit wachsenden Rezessionsängsten wird auch den Onlinehandel treffen. Dabei ist das letzte Quartal, wo erfahrungsgemäß das Weihnachtsgeschäft und auch Events wie Black Friday besonders beliebt sind, wichtig für die Branche.

Durch das besonders starke Online-Wachstum in den Jahren 2020 und 2021, welches auch durch Einschränkungen im stationären Handel und Zurückhaltung der Konsumentinnen geprägt war, ist auch zu erwarten, dass es einige Konsument:innen wieder vermehrt auf die stationäre Flache zurückzieht. Es ist anzunehmen, dass in Onlineshops vermehrt der Mindestbestellwert steigt und Retourengebühren für Konsument:innen anfallen.

Wie entwickelt sich das Marktplatz-Geschäft in Deutschland? Was sind die Argumente für Onlinehändler auch auf externen B2C-Marktplätzen aktiv zu sein?

Hofacker: 57 Prozent der Top-1.000-Onlineshops sind auf mindestens einen der drei großen Marktplätze Amazon, Ebay oder Kaufland vertreten. Gemessen am Bruttohandelsvolumen (GMV) zählen Amazon, Ebay und Otto zu den größten Marktplätzen. Amazon wuchs hier zuletzt noch beachtlich. Unsere Studien zeigen aber auch, dass Händler grundsätzlich ihre eigenen Kommunikations- und Vertriebskanäle bevorzugen. Die Kernfrage lautet: Wer hat die Daten des Kunden? Dies ist wichtig, um den Kundenzugang zu steuern, die Kunden zu verstehen, zu umsorgen und Kundenzufriedenheit zu erzeugen. Hier sind Händler gefordert sich die optimale Balance zwischen Abhängigkeit und Umsatzwachstum zu finden. Manche großen Händler wie Douglas oder Fressnapf werden selbst zu einem Marktplatz und entwickeln sich weiter zu einer Plattform oder gar einem Ökosystem für ihre Zielgruppe.

Lars Hofacker

Lars Hofacker

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hofacker@ehi.org